Die Gladebecke

1820 verlief die Gladebecke mitten durch den Ortskern von Gladbeck. Wo ist sie heute? Symbolisiert die Rinne neben der Lambertistraße den ehemaligen Verlauf?

Gladebecke - Graffito von Maurizio Bet
Graffito an der Lambertistraße/Schenkendiek von Maurizio Bet (nach einer Zeichnung von Walter Wegener)

Die Gladebecke, Namensgeberin unserer Stadt

Jeder kennt die Lambertistraße mit der Vertiefung auf einer Seite, in der im Sommer Wasser plätschert und Kinder dazu einlädt, hier zu spielen und mit bloßen Füßen durch das Nass zu laufen. Einige Gladbecker vermuten, dass es sich hierbei um die Reste der „Gladebecke“ handelt.

Dieses Wasser, das im Winter abgestellt wird und mithilfe von Pumpen immer wieder in die Rinne läuft, ist natürlich nicht die Gladebecke.

Gladebecke - Rinne neben der Lambertistraße
Lambertistraße mit (künstlichem) Wasserlauf (Foto: Heimatverein)

Die „alte“ Gladebecke

Auf der bekannten Zeichnung Wegeners ist die damalige Lambertikirche und links davon, gekennzeichnet durch ein schmales Brückengeländer, die Gladebecke auszumachen. Der kleine Bach kam aus einer feuchten Niederung nordöstlich des Vinzenzheimes. Dort trat Grundwasser aus und sammelte sich in einem Rinnsal. Das Bächlein floss von dort entlang der Bachstraße Richtung Lambertikirche, speiste einen kleinen Teich, den Schenkendiek [1], folgte in südlicher Richtung etwa dem Verlauf der Goethestraße und mündete nach knapp zwei Kilometern nahe der Kreuzung Goethestraße / B 224 in den Wittringer Mühlenbach.

Gladebecke, Alte Dorfansicht um 1880
Alte Dorfansicht um 1880 mit der Gladebecke (Zeichnung: Walter Wegener)

[1] Der Name Schenkendiek besteht aus zwei Teilen. Das plattdeutsche Wort „Diek“ deutet auf Wasser hin, entweder als Teich oder als Deich, der hier vor Wasser schützte. Jedenfalls lagen in der Nähe mehrere kleine Quellen, die z.B. im 19. Jahrhundert die Brauerei van Ahlen nutzte.
Der Name Schenk erinnert an den berüchtigten Obristen Martin Schenk von Nydeggen, der während der Truchsessischen Wirren 1589 das Dort Gladbeck plünderte und brandschatzte. Möglicherweise lagerte Schenk an dieser Stelle des Dorfes: „Schenkendiek“ = der Teich, an dem Obrist Schenk lagerte.

Verlauf der Gladebecke um 1820

Franz Spalthoff, der damalige Leiter des städtischen Vermessungsamtes, hat den ungefähren Verlauf der Gladbecke in diese Zeichnung der Stadt Gladbeck um 1820 eingetragen. Hier ist der Weg der Gladebecke durch das Dorf gut zu erkennen.

Gladebecke um 1820 - Flurkarte erstellt von Spalthoff
Verlauf der Gladbecke durch den Ortskern um 1820 (Originalplan: Franz Spalthoff)

So kurz der Bach (die Becke) war, so wichtig war er für das Dorf. Da er kaum Gefälle hatte, war seine Wasseroberfläche eben = glatt und glänzte, wenn die Sonne darauf schien. Daher der Ortsname Gladbeck: Siedlung am glatten, glänzenden Bach. Dennoch war er Grenzbach zwischen zwei mächtigen Landesherren. Am linken Ufer erhob sich die Lambertikirche, die der Abtei Deutz, später dem Erzbistum Köln zugehörig war, am rechten Ufer gab es (zwischen Lamberti- und Hochstraße = Timmerhof) die Quastenburg, die dem Herzog von Kleve gehörte.

Die Bäche dienten der Wasserversorgung für Menschen und Tiere. Dennoch holten die meisten Bewohner ihr Trinkwasser aus Brunnen oder Quellen. Nachgewiesen ist z. B. Brauerei van Ahlens Welle (heute dm-Markt an der Horster Straße/Ecke Lambertistraße). Eine Welle ist eine Quelle.

Gladebecke - van Ahlens Welle
Im „Heimatbuch“ von Theodor Holländer ist „van Ahlens Welle“ um 1870 zeichnerisch und schematisch dargestellt

Die Bäche nahmen aber auch die Abwässer auf. So gibt es auf einem alten Grundriss des Dorfes bei einem Anwohner nahe der Kirche einen Anbau über der Gladebecke; er hatte wahrscheinlich schon ein Abort mit Wasserspülung. Das kann man auch am Gladbeck-Relief vor der St. Lambertikirche erkennen.

Die Gladebecke „verschwindet“

Die Industrialisierung ab etwa 1880 und daraufhin einsetzende Bautätigkeiten haben im Lauf der Jahrzehnte dazu geführt, dass die Gladebecke überbaut, zugeschüttet oder verrohrt worden ist. Als eine Aktivität zum Europäischen Umweltjahr 1987 planten Politik und Verwaltung eine Renaturierung der Gladebecke. Sie sollte, zumindest in der Innenstadt, aus ihrer Verrohrung befreit und wieder an die Oberfläche geholt werden. In der Lambertistraße sollte sie ein Stück weit in ihrem ehemaligen Bachbett fließen. Hierdurch wollte man die Identifikation der Bürger mit ihrer Stadt und ihrem Namen stärken; Ruhezonen und Spielmöglichkeiten für Kinder sollten zum Verweilen einladen.

Zuerst mußte aber geklärt werden, wo die Gladebecke eigentlich noch floß bzw. ob es diesen Bach überhaupt noch gab. Hierzu hatte die Verwaltung umfangreiches Aktenmaterial gesichtet um herauszufinden, wo und zu welcher Zeit der Bachlauf sichtbar und als offener Wasserlauf vorhanden war.

Ende des 19. Jahrhunderts, beim Bau der Eisenbahnstrecke Gelsenkirchen-Buer Süd – Dorsten (Eröffnung 1880), wurde die Gladebecke im Bereich der Kreuzung Hochstraße/Bahnhofstraße verrohrt. Offene Wasserläufe wurden noch festgestellt 1905 entlang der Straße Schenkendiek und 1910 im Bereich Busbahnhof/Bachstraße.

Spätestens Ende der 1930er Jahre hatte umfangreiche Bautätigkeit dazu geführt, dass das natürliche Einzugsgebiet der Gladebecke versiegelt war und und der Bach zugeschüttet, überbaut oder verrohrt war. Detaillierte Aufzeichnungen hierüber konnte die Verwaltung nicht finden.

1987 – die Gladebecke soll in der Lambertistraße wieder sichtbar werden

Als daher 1987 der Gedanke entstand, die Gladebecke wieder zu Tage zu holen, war der aktuelle, genaue Verlauf des Bachs nicht mehr bekannt. Niemand wußte, ob die Gladebecke auch unterirdisch ihrem bekannten Verlauf folgt und ob eventuell gefundenes Wasser mächtig genug ist, um es wieder an die Oberfläche zu bekommen. Es sollte sichergestellt sein, dass der wieder herzustellende Bachlauf vom Wasser der Gladebecke gespeist wird und nicht vom Grundwasser.

Dieses Ziel wurde nicht erreicht. Ob die Gladebecke noch ihrem alten Verlauf folgt, ist ungeklärt geblieben. Den Gedanken, sie wieder, zumindest im Teilbereich der Lambertistraße, an die Oberfläche zu heben und zu renaturieren, hat man aufgegeben und nicht weiter verfolgt.

Die Gladebecke heute

Heute ist der Bach komplett aus dem Stadtbild verschwunden. Die Industrialisierung ab etwa 1880 und die daraufhin einsetzende Bautätigkeiten haben im Laufe der Jahrzehnte dazu geführt, dass der Verlauf der Gladebecke nicht mehr feststellbar ist. Auch kann nicht mehr mit Sicherheit gesagt werden, ob es sie im Untergrund überhaupt noch gibt.

Im Zuge der Umbauarbeiten in der Lambertistraße entstand 2004 die eingangs erwähnte Wasserrinne.

2023 – Graffito an der Lambertistraße/Schenkendiek

Anfang 2023 griff der Verein für Orts- und Heimatkunde Gladbeck eine alte Idee des ehemaligen Stadtarchitekten Manfred Schlüter auf, die Gladebecke in das Bewusstsein der Gladbecker Bürger zurückzurufen. Er hatte vorgeschlagen, am Durchgang von der Lambertistraße in den Schenkendiek an einer Fassade den Stadtplan um 1820 mit dem Verlauf der Gladebecke durch den Ortskern aufmalen zu lassen.

Gladebecke - Plan von Spalthoff an der Lambertistraße
Plan von F. Spalthoff an der Lamberistraße – Entwurf nach einer Idee von Manfred Schlüter

Warum gerade an dieser Stelle? Vor etwa 150 Jahren floss die Gladebecke die Bachstraße entlang Richtung Lambertikirche, querte die heutige Horster Straße und bog etwa an diesem Durchgang Richtung Friedrichstraße ab.

Der Heimatverein griff die Idee von Manfred Schlüter auf und schlug den Besitzern des Hauses an der Lambertistraße/Schenkendiek, Natalja und Helmut Menken, vor, ein Graffito (s. Titelbild) nach der Vorlage der Zeichnung von Franz Wegener mit der Dorfansicht um 1880 anfertigen zu lassen.

Natalja und Helmut Menken stimmten dem Vorschlag zu. Die Stadt Gladbeck beteiligte sich finanziell.

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